Teil 3 von Anne-Catrins Geschichte:

 

Eigentlich ist der Untertitel ein kleiner Etikettenschwindel, denn es geht in diesem Blogartikel nicht vornehmlich um Anne-Catrin, die taffe Karosseriebauerin, die wir schon in den Artikeln Es ist nie zu spät! Wie Sissi zur Karosseriebauerin wurde!“ und „Ein Frauenberuf? Karosseriebau!  kennengelernt haben, sondern um Alex, ihren Vater. Zu einem Generationenwechsel gehören schließlich mindestens zwei. Nun erwarten Sie vielleicht die zigste Wiederholung der Geschichte vom alternden Firmenpatriachen, der Verantwortung bestenfalls häppchenweise abgibt und davon überzeugt ist, dass ohne ihn das Unternehmen dem Untergang geweiht ist. Aber weit gefehlt! „Als wir uns entschieden haben, dass Anne bei Hoss Blech und Farbe eine Ausbildung macht, wer klar, dass wir auf eine Übergabe hinarbeiten“, erklärt Alex pragmatisch. „Wenn Anne sagt, ich brauche dich noch die kommenden 10 – 15 Jahre, dann werde ich wohl noch mit 65 Jahren dabei sein. Wenn sie früher alleine werken und wirken will, dann werde ich mich früher zurückziehen und ihr die Geschäftsführung überlassen. Im besten Fall in den nächsten 5 Jahren.“ Alle Entscheidungen, das stellt Alex ohne Zögern fest, wird er mit Anne-Catrin gemeinsam treffen: „Sie kann und wird auf alles mit einwirken können und müssen. Die Weichen werden jetzt gestellt.“ Auch ganz schön taff, oder?

Dass Alex die Übergabe seines Unternehmens so bewusst gestaltet, kommt nicht von ungefähr: „Ich will nicht, dass Anne das gleiche Schicksal ereilt wie mich. Ich bin total blind und blauäugig in die Übernahme gegangen und danach nur auf Probleme gestoßen. Der Betrieb war z. B. komplett überaltert und ich musste hohe Investitionskosten auf mich nehmen.“ Noch wichtiger als sein Wunsch, den Betrieb in materiell gutem Zustand zu übergeben, ist jedoch Alex’ Wissen darum, was es bedeutet, wenn eine Person für die Abläufe nahezu unverzichtbar ist. Es klingt hart, aber wenn der Tod plötzlich an die eigene Tür klopft, wird aus dem lockeren Spruch „Der Friedhof liegt voller Menschen, die unentbehrlich sind“ schlagartig Realität. Als Alex im Juli 2019 mit dem RTW ins Uniklinikum kam, stand plötzlich alles still. Diagnose: Aneurysma, eine lebensbedrohliche Gefäßerweiterung. Einatmen, ausatmen. Mein Leben ist also wirklich endlich.

Nach dem ersten Schock für Alex und seine Familie kam die Angst, dann kamen die Fragen. Schaffe ich das? Schaffen wir das? Wie funktioniert der Betrieb ohne mich? Bewegung war für Alex über Wochen verboten, die Gefahr, dass das Aneuyrisma reißen könnte, war viel zu groß. Für den Notfall war so gut wie nichts vorbereitet. Auch vorher hatte Alex hin und wieder ein ungutes Gefühl beschlichen, weil viele Abläufe und damit auch das entsprechende Wissen ausschließlich bei ihm lagen. Aber hey, er war doch erst Anfang 50! Die Angestellten waren es gewohnt, sich in allem bei Alex rückzuversichern, und Anne-Catrin hatte kaum erst ihre Ausbildung begonnen. Von einem Tag auf den anderen mussten Familie und Mitarbeiter Entscheidungen treffen, Lösungen finden und Verantwortung übernehmen, sonst wäre das Hoss Blech & Farbe Geschichte gewesen. Alex’ Frau schaffte es in kürzester Zeit, zwei gute Zeitarbeiter zu entleihen, um die Aufträge abzuwickeln, die Bestandsmitarbeiter fingen an, auf das eigene Urteil zu vertrauen, und die Arbeitsdokumentation wurde optimiert, ausgeweitet und digitalisiert. So konnte Alex, der sonst jeden einzelnen Schaden persönlich in der Werkstatt in Augenschein genommen hatte, vom Krankenbett aus Arbeitsergebnisse bewerten und Rechnungen schreiben – das konnte nämlich außer ihm niemand!

Auch wenn Alex seine Erkrankung gut überstanden hat, wirken viele Veränderungen noch nach. Nicht nur die digitale Dokumentation, die verbesserte Transparenz und viele optimierte Prozesse blieben erhalten, Alex und seine Leute haben auch gesehen, dass es – irgendwann – ohne ihn gehen muss und gehen kann. Das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre Fähigkeiten ist gewachsen, und Alex arbeitet bewusst daran, sich selbst entbehrlich zu machen. Anne-Catrin will Ende des Jahres ihre Meisterausbildung beginnen, und Alex stimmt bereits jetzt alle Investitionen mit ihr ab. Dabei hält er auch aus, dass Anne-Catrin bereits jetzt zu manchem eine andere Haltung einnimmt. „Ich bemerke zum Beispiel, dass mein Umgang mit Kunden anders ist als der meines Vaters“, erzählt Anne-Catrin. „Ich nehme wahr, dass viele Kunden gern schnell eine Lösung für ihr Problem haben möchten. Mein Vater rät hingegen oft dazu, erst noch einmal ein paar Monate abzuwarten und dann noch einmal zu kommen, besonders wenn das Auto schon alt ist. Ich arbeite daran, ein gutes Nähe-Distanz-Verhältnis zu den Kunden zu entwickeln. Wenn alle Kunden plötzlich Freunde sind, erwarten sie auch Freundschaftsdienste, und es ist schwieriger, für eine erbrachte Leistung auch eine angemessene Bezahlung zu fordern. Das betrifft auch das Verhältnis zu Mitarbeitern. Ich muss lernen, sowohl gut auf die Bedürfnisse der Angestellten zu achten als auch den Betrieb gut zu führen, sowohl die Kundenwünsche zu berücksichtigen als auch das Unternehmen lebensfähig zu halten. Win-Win-Ergebnisse zu erzielen. Das ist nicht einfach. Es gibt nicht umsonst dafür so viele Schulungen. Im Moment habe ich nur für mich und meinen Arbeitsplatz Verantwortung. Der Druck wird viel, viel größer werden, wenn ich den Betrieb mal leite. Ich muss an meiner Selbstdisziplin noch arbeiten, noch zuverlässiger werden. Ich nehme einiges noch viel zu locker. Chef sein ist einfach eine ganz andere Hausnummer.“

Alex lässt Anne-Catrin Raum, sich zu entwickeln, steht ihr aber zugleich zur Seite, so lange sie ihn braucht. Er will den Laden mit ihr zusammen zukunftsfähig machen, um ihn dann mit gutem Gewissen zu übergeben. Dazu gehören für ihn nicht nur Sachinvestitionen, sondern auch Rollenklärung und Absprachen: „Wir sollten uns jetzt als nächstes alle zusammensetzen und über die Zukunft sprechen. Am besten mit externer Unterstützung. Ein Blick von außen sieht auch Dinge, die wir intern nicht so wahrnehmen, und hinterfragt, was wir als gegeben hinnehmen. Als erstes müssen wir auf der Beziehungsebene klar sein, Erwartungen besprechen. Steuerberater und Notar braucht es erst später. Nun geht es zunächst um Fragen wie: Wie stellst du dir das und jenes vor? Jeder erklärt dem anderen seinen eigenen Plan. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo sind wir uns einig, wie laufen wir los? Also erst einmal der erste Schritt im Findungsprozess.“

Vielleicht hat die Krise, die sein Betrieb während seiner Erkrankung durchmachen musste, alle offener für Veränderungen gemacht und wachsamer für neue Chancen. Mit dem Generationenwechsel, da ist sich Alex sicher, kommt frischer Wind ins Unternehmen. Und den, da ist er sich ebenfalls sicher, braucht es auch: „Momentan sind wir in einem ungeheuren Wandel. Nicht nur wegen des Coronavirus. Das war schon vorher spürbar. Ich bin selbst aktuell das erste Mal in meiner Laufbahn etwas ratlos, wie man das Geschäft am besten ausrichten soll. Die gesamte Branche ist im Umbruch, das ist an allen Enden und Ecken zu spüren. Da wird und muss sich Anne jetzt schon einbringen. Wir müssen uns gemeinsam Gedanken über die Zukunft machen. Hier genau braucht es Anne und ihre Kreativität und mich sicherlich mit meiner Erfahrung. Die Kombination wird uns ausmachen.“

 

 

Hinweis
„Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich in meinen Blogs die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder neutralen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.“

Teil 2 von Anne-Catrins Geschichte:

 

Anne-Catrin sind wir im Blogartikel Es ist nie zu spät! Wie Sissi zur Karosseriebauerin wurde!“ bereits begegnet. Wir haben erfahren, wie sie zu ihrem Beruf gefunden hat. Aber wie geht es ihr als Frau in einer männerdominierten Branche?  

„Der große Schritt war eigentlich gar nicht, mit Ende 20 beruflich noch mal alles auf Null zusetzen. Die größere Herausforderung war es, als Quereinsteigerin ohne jedes Vorwissen in einen Beruf zu wechseln, der für Frauen als absolut unüblich gilt“, erzählt Anne-Catrin. „Obwohl mir die Arbeit Spaß gemacht hat, mein Fachwissen immer größer wurde und ich ein Händchen für die praktischen Tätigkeiten hatte, hatte ich Zweifel und Ängste. Rückblickend lag das nicht zuletzt daran, dass es mir schwerfiel, mich selbst – auch in der Öffentlichkeit – mit meinem Beruf zu identifizieren. Ich habe mich unwohl gefühlt, wenn mich jemand nach meinem Beruf gefragt hat. Auch in meinem eigenen Kopf gab es also diesen völlig veralteten Gedanken, dass Frauen nicht in die Werkstatt gehören. Und dann auch noch so eine typische Frau wie ich: lackierte Fingernägel, geschminkt, mit einer Vorliebe für rosa und mit dem Hang, alles mit Deko vollzustellen!“  

 Was Anne-Catrin antrieb, war der Wunsch, eines Tages auf eigenen Füßen zu stehen und das Beste aus den Voraussetzungen zu machen. Dazu gehörte in ihrem Fall auch die Möglichkeit, in den Betrieb ihres Vaters einzusteigen. „Nach meiner beruflichen Berg- und Talfahrt war es mir wichtig geworden, mit fast 30 eine Entscheidung zu treffen, die mich in den kommenden Jahren auch in eine gewisse Sicherheit und Unabhängigkeit bringt. Die Tatsache, dass mein Vater einen eigenen Karosseriebaubetrieb hat (https://hoss-bf.de/), war da ein ziemlich gutes Argument. Ich hatte den zukunftsorientierten Gedanken, eines Tages vielleicht sogar in die Selbständigkeit zu gehen. Am Ende war also gar nicht ausschlaggebend, dass ich dachte, das ist mein absoluter Traumjob und mir liegt einfach alles daran. So war es nämlich nicht. Immer noch bin ich täglich aufs Neue gefordert. Ich musste und muss meinen Kopf wirklich anstrengen. Ich hatte zwar schon immer Spaß an handwerklichen Arbeiten, aber ich hatte vor meiner Ausbildung nie Interesse an Autos, Blech und Reparaturen gehabt. Deshalb hatte ich den Beruf Karosserie- und Fahrzeugbau-Mechanikerin auch nicht auf dem Schirm.“ 

 Dass Anne-Catrin ihren Beruf vorher gar nicht in Erwägung gezogen hatte, lag sicher auch daran, dass es kaum Vorbilder gab. Sie ist der Überzeugung, dass sich vom Ansatz her etwas verändern muss: „Wie Berufe nach außen hin dargestellt werden, ist sehr wichtig. Es hilft zum Beispiel, wenn die eher von Männern besetzten Berufe von Frauen aus der Branche beworben und bei Jugendlichen bekanntgemacht werden. Damit befassen sich die Handwerkskammern gerade, und auch der Girlsday [https://www.girls-day.de/unternehmen-organisationen] ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der Weg ist noch weit, bis in allen Köpfen ein zeitgemäßes Bild vom Handwerk entstanden ist. Glücklicherweise haben die Jugendlichen heute die Möglichkeit, sich Zeit für die Berufswahl zu nehmen. Sie können Praktika absolvieren und in unterschiedliche Berufe reinschnuppern, ein soziales Jahr machen oder ein Jahr ins Ausland gehen, auch, um sich über sich selbst klarzuwerden. Sie müssen nur loslegen! Nicht zu viel nachdenken, sondern ausprobieren und MACHEN! Manche – wie ich! – müssen erst die Grenzen in ihren eigenen Köpfen abbauen, um herauszufinden, was zu ihnen passt. Dazu müssen sie aber aus ihrer Komfortzone raus, auch wenn das Unsicherheit und Angst mit sich bringt. Nur wenn ich neue Gedanken und Erfahrungen zulasse, entwickele ich mich weiter.“  

 Anne-Catrin geht mit gutem Beispiel voran. Sie MACHT und gibt in ihrem Blog AnniCars [https://www.facebook.com/Annicars/] Einblick in ihren Berufsalltag. „Zu Beginn hat meine Berufswahl immer wieder erstaunte, verwunderte und zweifelnde Reaktionen hervorgerufen. Dabei sind Frauen handwerklich genauso geschickt wie Männer! Ich möchte zeigen, wie interessant der Beruf der Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerin ist. Und ich will erreichen, dass Mädchen und Frauen keine Berührungsängste mit so genannten Männerberufen mehr haben. Wir müssen körperlich nicht genau so stark sein wie unsere Kollegen, um die Arbeit gut zu machen. Wenn ich einen Schlosszapfen nicht gleich mit drei Mal draufschlagen rausbekomme, dann schlag ich halt sechs Mal oder frage nach Hilfe! Das ist kein Ding, nach Hilfe zu fragen. Übrigens auch für Männer nicht.“ Anne-Catrins Zweifel, was ihren Beruf angeht, gehören längst der Vergangenheit an. Ihrem Blog sei Dank ist sie heute in der Branche bekannt wie ein rosa Hund. Über ihren Beruf erzählt sie gern, viel und in aller Öffentlichkeit. Davon profitiert auch das Unternehmen (https://www.hoss-bf.de/), dessen Ruf inzwischen weit über die Ortsgrenzen hinausreicht.  

Ich sag mal Tschüss und bis in 14 Tagen auf diesem Kanal.  

Über Euer LIKE auf https://www.facebook.com/3beneco/ freue ich mich!  

 

 

Hinweis
„Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich in meinen Blogs die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder neutralen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.“

Ein Gespräch mit meiner Nichte Anne-Catrin zum Thema: Leidenschaft und Handwerk
Und meinem Schwager Alexander zum Thema: Generationswechsel

Wie weit reicht Ihre Fantasie? Können Sie sich vorstellen, dass aus einem kleinen Mädchen, dessen Berufswunsch „Prinzessin Sissi!“ lautet, sie in einem späteren Leben einmal eine Karosseriewerkstatt übernimmt? Vielleicht hätte ich hinter der Geschichte auch eher das Drehbuch einer seltsamen Hollywood-Komödie vermutet, stünde die Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerin nicht in Person meiner Nichte Anne-Catrin vor mir. Eine Frau, von der man/frau viel lernen kann; über den Umgang mit Krisen, über radikale Ehrlichkeit zu sich selbst und über den Mut, sich neu zu erfinden – denn Anne-Catrins Weg zu ihrem Traumberuf war alles andere als geradlinig.

„Prinzessin Sissi! Das wollte ich als Kind werden. Angefangen habe ich dann aber eine Frisörlehre. 😉 Nach zwei Jahren habe ich die Ausbildung abgebrochen und eine Ausbildung im Einzelhandel begonnen. Die Entscheidung habe ich im Grunde aus Bequemlichkeit heraus getroffen. Ich war 18, brauchte Geld und nahm einen Minijob an. Schnell bekam ich dort einen Ausbildungsplatz angeboten und habe angenommen, ohne mir viele Gedanken darüber zu machen,“ erzählt Anne-Catrin. „Im Grunde hätte mir schnell nach der Ausbildung klar sein müssen, dass ich in meinem Beruf als Einzelhandelskauffrau nicht zufrieden werden würde. Das kann mit dem gleichen Beruf in einer anderen Branche oder einem anderen Unternehmen völlig anders sein, aber meine Arbeit erfüllte mich nicht, geistig war sie nicht gerade herausfordernd. Aber um mir das einzugestehen, war ich zu bequem. Das Betriebsklima war toll, die Chefs und Kollegen super. Ich habe mich nicht überarbeitet und trotzdem für mein damaliges Empfinden viel Geld verdient. Ich hatte in dieser Zeit wenig Anspruch an mich selbst. Mit mehr Selbstdisziplin und Eigenmotivation hätte ich mich sicherlich früher für einen anderen Beruf entschieden.“ (Sie verstehen, was ich mit „radikaler Ehrlichkeit zu sich selbst“ meine.)

Die Erkenntnis, dass wohl eine Veränderung angebracht sei, tippte nicht zart an Anne-Catrins Schulter, sondern überrannte sie in Form einer schweren Autoimmunerkrankung. Wie so oft kamen weitere Krisenmomente hinzu, die Anne-Catrin regelrecht dazu zwangen, einmal innezuhalten: „Ich erlebte beruflich wie privat massive Umbrüche. Ich hatte die Filiale auf eigenen Wunsch hin gewechselt, war umgezogen und hatte plötzlich allerlei zwischenmenschliche und fachliche Probleme auf der Arbeit. Das hatte ich in den 6 Jahren in der alten Filiale nie erlebt. Ich wurde krank. Nesselsucht, eine Autoimmunerkrankung, die die Arbeit mit Lebensmitteln schwierig machte. Meine Beziehung ging in die Brüche, wieder Umzug. Nach 2 Jahren in der neuen Filiale, von denen ich 1,5 Jahre wegen der Krankheit kaum da war, trennten sich mein Arbeitgeber und ich einvernehmlich voneinander.“

Was nun? Anne-Catrin tat das, worum ihr Körper inständig bat: Sie ging in Reha und nahm sich danach drei Monate Zeit, um durch Indien und Indonesien zu reisen. Alleine, nur für sich. Anne-Catrin veränderte sich. Nicht äußerlich, nein, ihre Haltung wurde eine andere. Ich bin halt, wie ich bin, und kann nichts daran ändern? Von wegen! „Ich kam zurück und war bis auf seltene kleine Schübe gesund. Mir wurde klar, dass für mich nun, mit 28, plötzlich wieder alle Türen offenstanden! Ich konnte in meinen alten Beruf zurück oder, durch das Amt unterstützt, mit einer neuen Ausbildung von vorne anfangen. Die Möglichkeit, zusätzlich zu einer normalen Ausbildungsvergütung Zuschuss für die Sicherung des Lebensunterhalts zu bekommen, machte mich unabhängig in meiner Entscheidung.“ Und diesmal traf Anna-Catrin ihre Entscheidungen nicht aus Bequemlichkeit und ohne eigene Ambitionen, sondern ganz bewusst. Sie besuchte ein Berufsinformationszentrum in Regensburg, verschaffte sich dort systematisch einen Überblick über ihren Bildungsstand und ihre Fähigkeiten, nutzte die Gelegenheit, tageweise in verschiedene Branchen hineinzublicken und führte zahlreiche Gespräche mit Freunden, Familie und Berater*innen vom Amt. Parallel half sie im Karosseriebaubetrieb ihres Vaters aus und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass ihr von allen Berufen, die sie sich ansah, der Karosseriebau am meisten lag. Geschick und Köpfchen brachte sie mit, ein Ausbildungsplatz war im Unternehmen frei, und sie hätte die Aussicht, den Betrieb vielleicht sogar irgendwann zu übernehmen. Handwerk? Als Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerin? Anne-Catrin schlug ein!

Zwei Jahre später:

Anne-Catrin hat ihr Leben in die Hand genommen und ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen.
Entscheidungen? Bitte bewusst und auf eigene Verantwortung!
Veränderung? Ja bitte, und zwar auf eigenen Wunsch! In der Branche ist Anne-Catrin inzwischen bekannt wie ein bunter Hund. Aber dazu ein anderes Mal mehr…

Kannst auch Du eine Geschichte erzählen, wie Du Deine Entscheidungskraft unter Beweis stellen konntest?
Hast Du schon mal Erfahrungen sammeln können, in der Dir eine Lebenskrise eine neue Chancen geboten hat?

 

Hinweis
„Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich in meinen Blogs die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder neutralen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.“