Wie Zeitmanagement und Führung für mich zusammenhängen

„Keine Zeit!“ Das höre ich immer wieder; in der Familie, bei der beruflichen Zusammenarbeit, von Freunden. Aber was bedeutet das, „keine Zeit“ zu haben? Haben wir nicht alle die gleichen 24 Stunden am Tag zur Verfügung? Wenn wir Zeit sparen, heißt das nicht, dass wir am anderen Tag plötzlich 25 oder 26 Stunden haben. Ausgerechnet der Zeitmanagement-Papst Lothar Seiwert erklärt in seinem Buch „Ausgetickt“ das Zeitmanagement als gescheitert. Ich sehe das genauso, denn Zeit lässt sich nicht managen. Zeit ist, was sie ist. Für uns alle gleich.

Was bedeutet es also, wenn wir davon sprechen, keine Zeit zu haben? Doch eigentlich nichts anderes als: „Du hast mit deinem Anliegen gerade nicht die oberste Priorität bei mir. Ich habe mich entschlossen, die mir zur Verfügung stehende Zeit mit etwas anderem zu verbringen.“ Klingt ganz schön hart im Vergleich zu „Keine Zeit“, oder?

Ich verstehe und akzeptiere das. Zumal ich selbst oft genug sage, dass es gerade nicht passt. Ich versuche mir aber anzugewöhnen, bei mir selbst in solchen Situationen genauer hinzuschauen und mir klarzumachen, aus welchem Grund ich gerade nicht vorhandene Zeit zwischen mich und mein Gegenüber schiebe. Ist es tatsächlich so, dass ich jetzt in diesem Moment ein Ziel verfolge, einen mir wichtigen Plan umsetze oder ein Problem bearbeite, das drängend und wichtig ist? Oder gebe ich mir (und anderen) aus einer inneren Unruhe oder fehlendem Überblick heraus gerade ein Gefühl von Auslastung und Geschäftigkeit, um mir nicht eingestehen zu müssen, dass ich gar nicht genau weiß, was gerade relevant ist? Vielleicht fällt es mir auch schwer, auf andere Weise Grenzen zu setzen und nein zu sagen? (Z. B. weil ich schlicht keine Lust zu einer gemeinsamen Aktivität habe, mein Gegenüber aber nicht verletzen will; oder weil ich verkatert bin, eigentlich nur Ruhe brauche, das aber nicht zugeben möchte – Sie finden sicher noch mehr Beispiele.)

Das klingt plötzlich gar nicht mehr nach Zeitmanagement, sondern nach Selbstmanagement. Und schon sind wir mitten in Führungsthemen. Meine Zeit zu managen heißt für mich, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Was fange ich mit meiner Zeit an, also mit meinem Leben? Wie setze ich die Energie ein, die mir zur Verfügung steht, sinnvoll ein? Dazu muss ich aber erst einmal herausfinden, was mir wichtig ist, was für mein Unternehmen die richtige Richtung sein kann und was mich meinen Zielen näherbringt.

Als kleines Tool, um festzustellen, welche Lebensbereiche ich dabei im Blick behalten sollte, sind die „5 Säulen der Identität“ des Psychologen Hilarion Petzold sehr hilfreich. Petzold erforscht die Bedeutung von Ausgewogenheit und Balance in unserem Leben. Er identifiziert fünf Bereiche, die gleichermaßen wichtig sind. Das Dach unseres Lebens ist besonders sicher getragen, wenn die fünf Säulen unserer Identität es in Balance halten. Balance heißt hierbei nicht, eine absolut gleichmäßige Verteilung herzustellen, sondern dafür zu sorgen, dass Säulen nicht komplett wegbrechen und das Dach möglicherweise einzustürzen droht. Welche Säulen gestärkt werden sollten, ist natürlich individuell verschieden. 

 

Visualisierung: @Tatjana Güntensperger

 

Wie geht das nun ganz konkret? Ich brauche zu allererst etwas Muße (Zeit!). Dann schaue ich mir die Säulen an. Welche Säule steht besonders fest, so dass ich mich für den Moment darauf verlassen kann, dass sie nicht nachgibt (z. B. Materielles, weil der Laden brummt)? Welche Säule kommt hingegen bei mir regelmäßig zu kurz (etwa die Gesundheit, weil ich mich im stressigen Arbeitsalltag ungesund ernähre oder zu wenig schlafe)? Wenn ich den Ist-Zustand ermittelt habe, forsche ich nach, ob und wie ich Prioritäten verschieben will. Ein Teilnehmer in einem Seminar dachte zum Beispiel, keine Zeit für zwei Stunden Sport in der Woche zu haben, was er sehr bedauerte (Gesundheit). Als er sich sein Säulensystem genauer ansah und überlegte, durch was die benötigte Zeit besetzt war, kam er sich selbst auf die Spur, dass er täglich zwei Stunden auf Social-Media-Kanälen verbrachte. Dass er sich das bewusst gemacht hatte, half ihm, seine Prioritäten zu überdenken, also professionelles Selbstmanagement zu betreiben.

Zurück zum Ausgangspunkt: Wenn ich Grenzen setze, schaue ich kurz in mich. Ist diese Entscheidung im Einklang mit meinen Zielen und Prioritäten? Ist das, was daraus folgt, wirklich das, was ich möchte und was mir (bzw. dem Unternehmen) auch langfristig guttut? Nimm Dir die Zeit, um herauszufinden, was Dir wichtig und was Dich stark macht. Dann manage Dich sich selbst, nicht die Zeit. Es lohnt sich. Vielleicht hast Du am Ende mehr Zeit als gedacht!

Viel Glück und Freude mit und bei dem was Du tust!

 

 

Hinweis
„Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich in meinen Blogs die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder neutralen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.“