Wer fragt, der führt, Teil 1
„Ich dachte, Sie sagen mir jetzt, wie es geht, und fragen nicht mich!“ Das ist ein Satz, den ich schon mehrfach von meinen Auftraggebern gehört habe, wenn ich Fragen stelle.
Ein Grund ist möglicherweise, dass mein Kundenkreis vornehmlich aus Unternehmern und Unternehmerinnen aus dem Handwerk besteht, also Macherinnen und Problemlösern. Zeitdruck ist in vielen Betrieben der Normalfall, und Geduld gehört auch nicht unbedingt zu den Fähigkeiten, die im Meisterkurs erlernt werden. Meine Kunden sind es gewohnt, schnell und kompetent Ansagen zu machen. Eine fragende Haltung deuten sie deshalb oftmals als Zeichen von Unwissenheit oder gar Schwäche.
Aber wenn wir einmal genauer hinsehen, erweist sich das Fragen als mächtiges Werkzeug, um Veränderungsprozesse anzustoßen. Wenn ich gute Ansagen mache, beeindrucke ich Leute mit meiner Kompetenz; wenn ich gute Fragen stelle, bringe ich Menschen dazu, ihre eigene Kompetenz zu nutzen. Und mal ehrlich: Glauben Sie wirklich, dass jemand von außen Ihnen die Lösung für die Herausforderungen in Ihrem Betrieb auf dem Tablett servieren kann? (Diese Frage ist rhetorisch.)
Ich verstehe meine Rolle als Beraterin und Coach so, dass ich die Handlungsfähigkeit im Betrieb vergrößere und die Kunden und ihre Mitarbeiter selbstständiger mache. Hilfe zur Selbsthilfe, kein Schaffen von Abhängigkeiten. Mit Fragen bringe ich mein Gegenüber dazu, selbst aktiv zu werden, neue Lösungen zu finden und scheinbar Selbstverständliches auf den Prüfstand zu stellen. Indem sie Antworten suchen, verschiedene Möglichkeiten laut durchdenken und mir auf meine Fragen hin die eigenen Verhaltensweisen erklären, verändern die Kunden ihre Perspektive und bereiten damit zugleich den Boden für Veränderungen im Unternehmen. Das Wichtigste auf meiner Seite ist dabei ehrliche Neugier auf die Antworten, die meine Kunden finden. Ich habe im Verlauf des Gesprächs mindestens genau so viele Aha-Erlebnisse wie die Kunden – und damit Anlässe weiter zu fragen.
Für mich sind es die besten Momente, wenn mir ein Kunde am Ende eines Gesprächs sagt: „Ich habe mir gerade selbst die Antwort auf mein Problem gegeben. Warum bin ich da nicht früher draufgekommen?“ Tja, weil es manchmal eben die richtigen Fragen braucht!
Eure Barbara Beyer
PS: In einem der nächsten Blogartikel werden wir uns genauer ansehen, welche Fragetechniken es gibt, wie Fragen zum Machtmittel werden und welche Art zu Fragen auch intern im Unternehmen hilfreich ist.
Hinweis
„Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich in meinen Blogs die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder neutralen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.“